Novelle
Die Novelle »Tanz um den Tod« vermittelt auch heute noch einen atemberaubenden Einblick ins Geschehen des Ersten Weltkriegs: Mal urgewaltig dichterisch im expressionistischen Sekundenstil hintereinander gehämmert, dann aber auch nüchtern-unterkühlt und sachlich wie durch den Sucher einer Filmkamera festgehalten, entspinnt sich das Geschehen. Und gerade mit dieser Eigenart kann der heute vergessene August Hermann Zeiz nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal für die Novelle beanspruchen, sondern ist den Autoren seiner Generation sogar um Jahre voraus.
Ende des Ersten Weltkriegs erscheint im renommierten Erich Reiß-Verlag die Novelle eines jungen Tageblatt-Journalisten, August Hermann Zeiz »Tanz um den Tod« . Es hätte kaum einen ungünstigeren Zeitpunkt zur Veröffentlichung geben können: Wo alles im Wandel bergriffen ist, Sorgen um die Existenz und Zukunft, wo Niederlage und Revolution, das Ringen um den status quo und bald auch die Inflation das Tagesgeschehen dominieren, da bleibt kaum Zeit, sich mit der jüngsten Vergangeheit zu beschäftigen. Erst zehn Jahre später, Ende 1928, kommt es mit Erich Maria Remarques Erfolgsbuch »Im Westen nichts Neues« zu einer breiten Rezeption von Kriegsliteratur. Augsut Hermann Zeiz' Novelle ist freilich zu diesem Zeitpunkt (zu Unrecht) schon längst in Vergessenheit geraten.
Die dichte Reihung äußerer und innerer Eindrücke im Wechsel evoziert hier eine berückende Unmittelbarkeit des Geschehens. »Nicht Erklären, sondern Hinstellen ist das Ziel«, bringt Walter H. Sokel expressionistische Prosa auf den Punkt. Das trifft auch auf die Novelle zu. Das einschneidende Ereignis Krieg im Jahr 1918 jedoch in filmische Episoden zu kleiden und die Leser anzuhalten, selbst zu denken, das heißt, eigene Bilder im Kopf entstehen zu lassen, wenn das Grauen fast die Beschreibungskraft des Autors übersteigt, das ist alleine August Hermann Zeiz’ Verdienst.
Wir freuen uns, die Novelle, vermehrt um August Hermann Zeiz' Tageblatt-Berichte aus jener Zeit, endlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen: als eindruckvolle Schilderung des bedrückenden Kriegsalltags und als sprachlich versiertes Werk von literarischem Belang.
Silke Engel
Zur Herausgeberin: Silke Engel, aus Pinneberg/Schleswig-Holstein, Studium (Politik, Literatur und Jura) in Freiburg i. Brsg.; nach London mit BBC-Erfahrungen in Berlin hängengeblieben, erst Volontärin beim damaligen SFB, dann Moderatorin, Planerin, Redakteurin. Ob in Berlin und Brandenburg unterwegs oder zwischen Dublin, Belfast und London: Sie ist überall zuhause, wo gute Geschichten sie hinführen. Derzeit arbeitet sie als Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin und analysiert u.a. im rbb die Bundespolitik.